Moderne elektronische Komponenten mit hohen Leistungsdichten erwärmen sich im Betrieb stark. Dies führt zu mechanischen Spannungen und damit zu Verformungen der Bauteile. Insbesondere bei schnellen Schaltvorgängen und Lastwechseln können räumlich und zeitlich begrenzte mechanische Belastungsspitzen entstehen, die zu Mikrorissen oder Verbindungsbrüchen führen können. Dies ist eine der Hauptursachen für den vorzeitigen Ausfall von Bauteilen.
Qualitätskontrolle durch ortsaufgelöste hochgenaue Oberflächenmessung
Bisherige Fehleranalysemethoden bestimmen die mechanische Belastung der Bauteile indirekt über die Messung der Wärmeverteilung. Die direkte Messung mechanischer Verformungen liefert jedoch wichtige Daten zur Vermeidung von Defekten und damit vorzeitigen Ausfällen.
Ein neues System zur Messung von Mikrodeformationen von Fraunhofer IPM misst minimale Änderungen der Bauteil-Topografie schnell, bildgebend und bis in den Nanometerbereich – auch direkt in der Linie. Damit können sehr kleine Änderungen oder Deformationen der Bauteiloberfläche, z.B. unter mechanischer oder thermischer Belastung, auch bei schnellen Betriebsänderungen der elektrischen Komponenten exakt gemessen werden. Das Verfahren eignet sich zur Kontrolle kritischer Produktionsschritte, liefert aber auch wichtige Informationen für die Bauteilentwicklung, das Leiterplattendesign und die Prozessentwicklung: So kann beispielsweise nach dem Löt- oder Bonding-Prozess der Verzug der elektrischen Komponente unter Betriebsbedingungen mit Genauigkeiten von unter 30 Nanometer gemessen werden. Die Dynamik des Verzugs im Millisekundenbereich zu erkennen und zu verstehen ist für Bauteilentwicklung und -design notwendig, um kurzzeitige oder lokale Überbeanspruchung des Bauteils im späteren Betrieb zu verhindern. Eine auf diese Weise optimierte Bauteil- und Leiterplattengestaltung garantiert gleichbleibende Produktqualität und lange Lebensdauer trotz hoher Bauteilbeanspruchung.
Hochgenaue Form- und Dehnungsmessung für präzisere Simulationen
Thermische Ausdehnung erzeugt mechanische Spannungen im Bauteil. Die daraus resultierenden Verformungen können zu irreversiblen Deformationen oder bei zyklischem Auftreten nach gewisser Zeit zum strukturellen Versagen des Bauteils führen; als Folge entstehen Risse oder Brüche. Die Herausforderung bei der Gestaltung elektrischer Komponenten oder Leiterplatten besteht darin, nicht nur die einzelnen Komponenten zu designen, sondern auch die Zuverlässigkeit des gesamten elektronischen Systems sicherzustellen. Simulationswerkzeuge unterstützen dabei, benötigen jedoch präzise orts- und zeitaufgelöste Eingangsdaten. Neben der stationären spielt auch die dynamische Verformung, etwa bei Schaltvorgängen, eine wichtige Rolle. Dies erfordert Werkzeuge zur flächenhaften Verformungs- und Dehnungsmessung mit hinreichender Orts- und Zeitauflösung. Durch Messung geringster Deformationen im Nanometerbereich kann die mechanische Belastung bereits erkannt werden, lange bevor es zum Ausfall kommt.
ESPI: Elektronische Speckle-Interferometrie für nanometergenaue Messung
Das System von Fraunhofer IPM zur schnellen Messung von Mikrodeformationen identifiziert kleinste Änderungen der Form eines Bauteils auf Basis der elektronischen Speckle-Interferometrie (ESPI). Bei diesem Verfahren wird ein aufgeweiteter Laserstrahl auf die Oberfläche des Bauteils gelenkt. Dabei entsteht ein Speckle-Muster. Durch Verspannungen und Bewegungen in der Oberfläche des Bauteils um Bruchteile der Wellenlänge verändert sich dieses Speckle-Muster. Spezielle Computeralgorithmen ermöglichen eine quantitative Bestimmung von Oberflächendeformationen mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit. Klassische ESPI-Verfahren nutzen zeitliche Phasenschiebe-Verfahren. Dabei wird zur Erfassung des aktuellen Verformungszustands eine Folge von Kamerabildern aufgenommen, was das Verfahren sehr vibrationsempfindlich macht. Das ESPI-System von Fraunhofer IPM setzt ein angepasstes räumliches Phasenschiebe-Verfahren ein, das alle nötigen Informationen aus einem einzigen Kamerabild gewinnt. Dadurch ist es sehr schnell und robust.
Verformungen horizontal und vertikal zur Oberfläche messbar
Das System kombiniert ESPI mit HighSpeed-Speckle-Korrelation, wodurch Dehnungen in allen Raumrichtungen hochgenau gemessen werden können: 500 Mal pro Sekunde – mit einer Auflösung von mehr als einer Million Bildpunkten. Oberflächenverformungen werden mit einer Genauigkeit von unter 30 Nanometern erfasst. Damit werden selbst kleinste Verformungen, wie sie z.B. bei Leistungstransistoren, integrierten Schaltkreisen oder Leuchtdioden auftreten, in Echtzeit mess- und auswertbar. Durch eine Reduktion der Auflösung lassen sich noch höhere Messfrequenzen erreichen, sodass bei kleinerem Messfeld selbst Hochfrequenzkomponenten auf ihre mechanische Belastung untersucht werden können.