Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg
Pionier der Atmosphärenforschung: Auszeichnung für Dr. Gerhard Schmidtke
Seit mehr als 60 Jahren forscht Dr. Gerhard Schmidtke zum besseren Verständnis der Erdatmosphäre, 40 Jahre davon am Fraunhofer IPM. Schmidtke gehört zu den ersten Mitarbeitenden des Instituts und war u. a. der strategische und wissenschaftliche Kopf hinter SoLACES, einem Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS. Für seine Verdienste um die Wissenschaft und sein gesellschaftliches Engagement wurde Schmidtke nun mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung unseres Bundeslands.
Wie wirkt die Sonnenstrahlung auf die Atmosphäre und damit auch auf das Erdklima? Diese Frage beschäftigte den 1937 geborenen Physiker Schmidtke lange bevor das Thema Klimawandel auf die globale Agenda gelangte. Schmidtke widmete den Großteil seiner wissenschaftlichen Forschung der erdnahen Ionosphäre. Bereits zu Beginn der 1970er Jahre entwickelte er am damaligen Fraunhofer-Institut für Physikalische Weltraumforschung, dem späteren Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, das erste Spektrometer für eine Satellitenmission. Das Messgerät sollte insbesondere die extrem-ultraviolette Strahlung (EUV) der Sonne in der Ionosphäre messen. Die frühen Arbeiten legten die Basis für das SolACES-Experiment auf der ISS, das Schmidtke mit seinem Team mehr als zehn Jahre lang vorbereitete. Von 2008 bis 2017 – über beinahe einen vollständigen elfjährigen Sonnenzyklus – lieferte das SoLACES-Instrument hochpräzise Daten zur Intensität der Sonnenstrahlung und damit über die stark schwankende Sonnenaktivität. Die Daten helfen, die Wechselwirkung von Sonne und Planet zu verstehen und fließen in Klimamodelle ein.
Auch heute noch ist Schmidtke in der Forschung aktiv: Sein Augenmerk gilt derzeit der sogenannten »Strahlungs-Imbalance«: Der natürliche Treibhauseffekt sorgt dafür, dass ein Teil der von der Sonne eingebrachten Strahlung von der Erdoberfläche und der Atmosphäre reflektiert wird, was menschliches Leben auf dem Planeten erst möglich macht. Durch Änderungen in der Atmosphäre, den anthropogenen Treibhauseffekt, wird ein zunehmender Teil der Wärme nicht mehr zurückgestrahlt. Diese Entwicklung ortsaufgelöst zu messen, ist Ziel einer neuen Satellitenmission, an dessen Konzeption Schmidtke arbeitet.
Das Land würdigte neben den wissenschaftlichen Errungenschaften auch die gesellschaftliche Verantwortung, die Schmidtke Zeit seines Lebens übernommen hat – für die Ökumene, für Geflüchtete oder als Mitgestalter eines Mehrgenerationenhauses. »Dr. Gerhard Schmidtke ist ein leuchtendes Beispiel für selbstlosen Einsatz zum Wohle der Wissenschaft und der Menschen«, heißt es in der Laudation.
Weitere Informationen
Der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg – bis Juni 2009 die „Verdienstmedaille“ – wird vom Ministerpräsidenten für herausragende Verdienste um das Land Baden-Württemberg verliehen, insbesondere im politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich. Die Verleihung des Verdienstordens erfolgt in der Regel einmal jährlich im Rahmen eines Festakts. Die Zahl der Ordensträger ist auf insgesamt 1.000 lebende Personen begrenzt. Seit 1975 wurde der Landesorden insgesamt an 2.031 Personen verliehen. Eine Auszeichnung kann zum Beispiel bei Bürgermeisterämtern, Landratsämtern oder unmittelbar beim Ministerpräsidenten angeregt werden. |