Fraunhofer-Leitprojekt eHarsh
Hart im Nehmen: Sensorsysteme für extrem raue Umgebungen
Bislang fehlt es der Industrie an robusten Sensoren, die extrem hohe Temperaturen und Drücke aushalten. Im Leitprojekt »eHarsh« haben acht Fraunhofer-Institute jetzt eine Technologieplattform für den Bau solcher Sensorsysteme entwickelt. Diese können sogar das Innere von Turbinen und tiefen Bohrlöchern für die Geothermie überwachen.
Sie nehmen störende Vibrationen wahr, warnen, wenn eine Maschine heiß läuft, und können schadhafte Bauteile auf einem Fließband erkennen. Sensoren spielen heute in der Produktion eine Schlüsselrolle. Ganze Fertigungslinien werden mithilfe der zuverlässigen Fühler und künstlichen Augen gesteuert. In manchen Industriebereichen aber konnten sich die wachsamen Helfer bislang nicht durchsetzen – in sogenannten extrem rauen Umgebungen, in denen herkömmliche Sensoren binnen kurzer Zeit zerstört werden. Dazu zählt das Innere von Kraftwerks- oder Flugzeugturbinen oder von Bohrlöchern im Erdboden, in denen hohe Temperaturen und Drücke herrschen. Auch aggressive Gase und Flüssigkeiten oder Stäube setzen Sensoren zu. Im Projekt eHarsh haben sich deshalb acht Fraunhofer-Institute zusammengetan, um erstmals besonders robuste Sensoren für extrem raue Umgebungen (extreme harsh environments) zu entwickeln. »In den verschiedenen Instituten verfügen wir über viele Detailkenntnisse«, sagt eHarsh-Koordinator Holger Kappert vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS. »Wir kennen uns mit hitzebeständigen Keramiken aus, können Materialeigenschaften prüfen und robuste mikroelektronische Schaltungen anfertigen. Doch allein war keiner von uns in der Lage, einen solchen Sensor herzustellen. Erst durch das Zusammenspiel und die Kombination vieler einzelner Technologien ist uns das jetzt gelungen.«
Signalverarbeitung direkt vor Ort
Das Team setzte den Schwerpunkt zunächst auf Anwendungen mit hohen Temperaturen und Drücken – besagte Turbinen und Bohrlöcher. Das Ziel war es, nicht nur robuste Druck- und Thermoelemente in die Turbinen und Bohrlöcher zu bringen, sondern auch die Elektronik zum Auswerten der Messwerte. »Der Vorteil einer Elektronik vor Ort und der Signalverarbeitung im Sensor liegt in einer höheren Qualität der Sensorsignale«, sagt Holger Kappert. »Außerdem könnte man Sensoren damit künftig besser vernetzen und aufwändige Verkabelung einsparen.« Das wäre vor allem in Flugzeugtriebwerken interessant, weil sich dadurch das Gewicht reduzieren ließe. Solche Triebwerke sind komplex. Luftströme, elektrische Spannungen und Leistungen müssen je nach Flugmanöver genau geregelt werden. Mithilfe kleiner robuster Sensoren direkt im Antrieb könnte die Messung des Triebwerkszustands und die Steuerung des Verbrennungsprozesses künftig noch präziser werden – etwa um Treibstoff effizienter zu nutzen.
Das Sensorgehäuse besteht aus Metall, die Sensorelemente bestehen aus Keramik, die Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius widersteht. Das elektronische Innenleben hält rund 300 Grad Celsius aus. Eine Herausforderung bestand darin, die verschiedenen Komponenten so miteinander zu verbinden, dass sie sich auch bei wiederholtem Erhitzen und Abkühlen nicht voneinander lösen, wenn sich die Materialien unterschiedlich stark ausdehnen und zusammenziehen. Zum Einsatz kommen unter anderem Leiterplatten aus hitzebeständiger Keramik und Leiterbahnen mit einer Beimischung von Wolfram, das auch für die Wendeln von Glühbirnen verwendet wird.
Sensor für die Geothermie
Doch die Sensoren sind nicht nur hitzebeständig, sondern ertragen auch hohe Drücke von bis zu 200 Bar – fast einhundertmal mehr als im Autoreifen. Damit können derartige Sensoren künftig unter anderem in Pumpen für die Geothermie eingesetzt werden. Bei der Geothermie werden Gebäude mit heißem Wasser aus dem Erdboden beheizt. Die Pumpen sitzen tief unten im Bohrloch und müssen sowohl die Hitze als auch die Drücke aushalten können. Dank der neuen Sensoren ist jetzt eine einfache, permanente Überwachung möglich.
Maschinenherstellern helfen die erweiterten Möglichkeiten aber auch beim Testen der Lebensdauer ihrer Sensoren. Bei solchen Tests werden Bauteile höheren Drücken oder Temperaturen ausgesetzt, damit sie schneller altern. So lässt sich in überschaubarer Zeit die Lebensdauer eines Produkts bestimmen. Halten Sensoren extremere Bedingungen aus, können die Tests bei höheren Werten gefahren werden. Dadurch verkürzt sich die Testdauer deutlich. »Insgesamt ist es uns dank der Interdisziplinarität in »eHarsh« gelungen, eine Technologieplattform für robuste Sensorsysteme für viele verschiedene Anwendungen zu entwickeln«, resümiert Holger Kappert.